„39 Einer der gehängten Übeltäter aber lästerte ihn und sprach: Bist du der Christus, so rette dich selbst und uns! 40 Der andere aber antwortete, tadelte ihn und sprach: Fürchtest auch du Gott nicht, da du doch in dem gleichen Gericht bist? 41 Und wir gerechterweise, denn wir empfangen, was unsere Taten wert sind; dieser aber hat nichts Unrechtes getan! 42 Und er sprach zu Jesus: Herr, gedenke an mich, wenn du in deiner Königsherrschaft kommst! 43 Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein!“ (Lukas 23,39-43 Schlachter 2000)
Jerusalem, April im Jahr 30. Ein verurteilter Schwerverbrecher hängt am Kreuz. Er ist kein Justizopfer, sondern er ist wirklich schuldig. Das römische Rechtssystem funktionierte im Großen und Ganzen schon zuverlässig, wenn auch gelegentlich ein Unschuldiger bestraft wurde. Doch dieser Mann war wirklich schuldig. Das erkennen wir daran, dass er selbst seine Schuld zugibt (Lukas 23,41). Er weiß, dass er völlig zu Recht an diesem Kreuz hängt und die Strafe verdient hat. Wir erfahren im biblischen Text nichts über die genauen Verbrechen der beiden Übeltäter, die links und rechts von Jesus gekreuzigt wurden. Matthäus berichtet uns, dass sie „Räuber“ waren, aber das ist ein Begriff, unter dem viel verstanden werden kann. Vermutlich waren sie Räuber, die auch gemordet hatten oder gar Umstürzler, die gegen die römische Besatzungsmacht kämpften und dabei auch raubten, um zu überleben. Wie auch immer – das Urteil war nicht nur rechtskräftig, sondern auch gerecht. Wenn schon einer der Verurteilten das anerkennt, dann muss es wirklich gerecht sein.
Matthäus berichtet uns in seinem Evangelium, dass auch dieser Verbrecher Jesus beleidigt hatte (Matthäus 27,44). Aus dem Lukasevangelium geht das ja nicht hervor, aber wir müssen immer alle vier Evangelien gleichzeitig betrachten, wenn wir über bestimmte geschichtliche Ereignisse etwas erfahren wollen. Das ist wie bei einem Verkehrsunfall. Da hört man auch nicht nur auf einen Zeugen. Selbst wenn das vier Zeugen sind, die alle die Wahrheit sagen und das Richtige sagen, so ist es doch so, dass jeder dieser Zeugen nur einen Ausschnitt des Ganzen gesehen hat. So ist es auch bei den Evangelien: Sie widersprechen sich nicht, sondern sie ergänzen sich. Wir wissen also, dass die beiden Verbrecher zuerst über Jesus gelästert haben. Sie haben sich lustig gemacht und gespottet über Jesus.
Man muss sich das mal vorstellen. Da wird einer ans Kreuz genagelt und hat nichts Besseres zu tun, als über einen anderen zu lästern, der neben einem hängt. Daran können wir erkennen, wie sehr Jesus die Menschen herausgefordert hat. So ist es ja auch heute noch. Mit ein bisschen christliche Religion können auch die größten Atheisten etwas anfangen.
Christliche Religion ist anerkannt, solange sich das auf Frieden, Freude, Eierkuchen beschränkt. Doch Jesus am Kreuz – dieser Gedanke ist in der ganzen Welt durch und durch verhasst. Ob Juden, Moslems, Buddhisten oder Atheisten, ob Kommunisten oder Nazis, Leute, die sich Humanisten oder Philanthropen nennen oder Leute, die sich aus anderen Gründen für etwas Besseres halten: Jesus, der nette Wanderprediger, der für Frieden und Versöhnung eintritt – mit diesem Jesus kann man sich anfreunden. Der ist kein Problem. Aber ein Jesus, der wissentlich und absichtlich unschuldig am Kreuz stirbt, um für die Sünden der Menschen zu bezahlen – mit diesem Jesus kann man sich nicht abfinden. Dieser historische Jesus fordert alle zum Widerspruch heraus.
So ist es auch hier: Alle lästern über ihn. Die römischen Soldaten, die Vorübergehenden (Matthäus 27,39-40), die „oberen Zehntausend“ der Juden (Matthäus 27,41) und eben auch die beiden gleichzeitig mit Jesus gekreuzigten Räuber (Matthäus 27,44).
Doch da passiert etwas Ungewöhnliches: der eine denkt plötzlich um. Was dazu geführt hat, wissen wir nicht so genau. Wie es dazu kam, dass er plötzlich Partei für Jesus ergriffen hat, wissen wir nicht. Das steht nirgendwo genau beschrieben. Aber er verteidigt plötzlich Jesus und das, was er sagt, zeigt, dass er verstanden hat, worum es hier geht.
Es sagt zum anderen Räuber „dieser hat nichts Unrechtes getan“ und bescheinigt Jesus Christus damit, dass er unschuldig am Kreuz hängt. Dann dreht er sich zu Jesus um und sagt „Herr, gedenke an mich, wenn du in deiner Königsherrschaft kommst!“. Beide Aussagen zeigen, dass er begriffen hat, wer dieser Jesus ist. Der Unschuldige hängt am Kreuz, das ist die eine Seite. Der König wird wiederkommen und dann die Königsherrschaft antreten, das ist die andere Seite. Dieser Verbrecher hat begriffen, dass dieser Mensch Jesus am Kreuz der Christus, der Messias ist, der seine Königsherrschaft aufrichten wird. Das zeigt uns einen tiefen Glauben, weil das auch bedeutet, dass dieser Mann über den Tod hinaus denkt.
Damit zeigt dieser Verbrecher, der kurz vor seinem Tod steht, einen Glauben, der weit größer ist als der, den die Jünger Jesu zu diesem Zeitpunkt hatten. Wir erkennen das ein Kapitel später, wo die beiden Jünger auf dem Weg nach Emmaus Jesus begegnen. Sie erkennen ihn nicht und erzählen ihm, was in den letzten Tagen passiert ist.
„Wir aber hofften, er sei der, welcher Israel erlösen sollte.“ (Lukas 24,13 Schlachter 2000) sagen die Jünger. Für diese Jünger war alles aus. Zu Ende. Aus der Traum vom Königreich Gottes. Aus der Traum vom Messias. Sie haben gesehen, wie er starb und wussten, dass er dort im Grab lag. Die beiden wussten es nicht, sie meinten das aber sicher zu wissen, obwohl sie doch schon davon gehört hatten, dass einige Jesus, den Auferstandenen gesehen hatten.
Für die Jünger Jesu war also mit der Kreuzigung alles zu Ende. Aber der Verbrecher, der dort neben ihm am Kreuz hing, für den war plötzlich klar, dass der, der dort am Kreuz hängt, nicht nur unschuldig ist, sondern dass es der Messias ist, der wiederkommen wird. Er sah im Glauben über den Tod hinaus. Der Heilige Geist hat mächtig an ihm gearbeitet. Es ist genauso geschehen, wie Jesus es angekündigt hatte (Johannes 16,8). Der Verbrecher war überführt von „Sünde und von Gerechtigkeit und vom Gericht“. Ihm war seine eigene Sünde bewusst geworden. Er sah auch die Gerechtigkeit Jesu, der als Unschuldiger für die Sünde der Menschen gekreuzigt wurde. Ihm wurde auch der Glaube an das zukünftige Gericht geschenkt, das kommen wird, wenn der Christus wiederkommt, um sein Königreich aufzurichten. Dieser Glaube war dem gekreuzigten Verbrecher von Gott geschenkt worden. Er tat Buße, hat seine Sünde anerkannt und bekam den rettenden Glauben geschenkt.
Er rechnet damit, dass der Messias lebendig wiederkommen wird und dass es dann zur Auferstehung aus den Toten kommt. Sonst würde sein Wunsch „gedenke an mich“ keinen Sinn machen. Er rechnet mit der Auferstehung aus den Toten und dass dieser Jesus der ist, der den Anfang macht und in königlicher Macht kommt, um die Toten aufzuerwecken. Wer hat ihm das alles gesagt? Woher weiß er das alles? Wie kommt er auf die Wahrheit, wie hat er sie erkannt?
Ich vermute, sein Wissen speist sich aus 2 Quellen: Quelle Nummer 1 sind die Geschichten, die man sich seit einigen Monaten von diesem Jesus erzählt. Da ist einer, der Blinde sehend macht. Lahme können gehen, Stumme reden und er hat sogar drei Menschen von den Toten auferweckt. Gerüchte und Berichte dieser Taten gingen durch das Land und es ist schwer vorstellbar, dass da jemand war, der nichts davon mitbekommen hat. Nun wird er mit diesem Mann gekreuzigt und als er da hängt, erfährt er ganz viele weitere Dinge über Jesus. Das ist erstaunlich, was jetzt passiert: Das ist die zweite Quelle seines Wissens.
Wir lesen bei Matthäus:
„Der du den Tempel zerstörst und in drei Tagen aufbaust, rette dich selbst! Wenn du Gottes Sohn bist, so steige vom Kreuz herab!“ (Matthäus 27,40 Schlachter 2000).
Die Spottenden haben ja nicht nur Beleidigungen ausgerufen, sondern sie haben Jesus genau die Dinge vorgehalten, die er selbst gesagt hat. Sie haben -ohne es zu wollen- das Evangelium verkündet. Dieser Räuber hängt da nun und spottet selbst mit, aber er erfährt immer mehr über diesen Jesus. Er sieht ihn auch dort hängen und dass dieser Jesus völlig friedlich ist. Jesus spottet nicht zurück, er jammert nicht, er schimpft nicht, er beklagt sich nicht. Er leidet fürchterliche Schmerzen und er schimpft doch nicht über das Unrecht, das ihm angetan wurde. Das Verhalten Jesu zusammen mit all den Informationen, die dieser Räuber bekommen hat, führten dann dazu, dass der Heilige Geist in ihm wirken konnte. Plötzlich begriff er die Wahrheit: Ja, das ist der Messias, der dort hängt. Ja, er wird in seiner Königsherrschaft kommen. Dann gibt es auch die Auferstehung aus den Toten und der Messias wird richten über die Lebendigen und die Toten. Der Räuber weiß nun, was er zu tun hat.
Er verteidigt Jesus gegen den Spott seines Komplizen. Er erkennt seine eigene Schuld an und er bittet Jesus, an ihn zu denken, wenn die Auferstehung der Toten geschieht.
Dann geschieht etwas, was genauso ein Wunder ist, wie die Tatsache, dass dieser Verbrecher plötzlich glaubt.
„Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein! “ (Lukas 23,43)
Jesus hat keine Kraft, um eine lange Rede zu halten. Er bekommt auch kaum Luft. Um kurz atmen zu können, muss er sich mit seinen Füßen nach oben stemmen. Dadurch bekommt er kurz Luft, aber er verlagert damit sein komplettes Körpergewicht auf den Nagel, der durch seine Füße getrieben wurde. Eine neue Welle der Schmerzen jagt durch seinen Körper. Er lässt wieder los und hängt dann mit den Armen nach oben so, dass er kaum Luft bekommt.
Er sagt nur einen Satz, aber dieser Satz hat es in sich und für diesen Mann, der dort neben Jesus hängt, ist er eine Erlösung. Dieser Satz ist die Erlösung.
„Wahrlich“ sagt Jesus in der deutschen Übersetzung oder wie es im Urtext heißt „Amen“. Jesus sagt das immer wieder, wenn er eine Aussage besonders bekräftigen wollte. Amen, so ist es. Wahrlich, so wird es sein. Amen oder wahrlich bedeutet, dass das, was dann an Information kommt, unumstößlich fest steht.
„ich sage dir“ – Er, Jesus Christus hat die Autorität, etwas zu entscheiden. Er, Jesus Christus ist der, der die Macht über die Ewigkeit hat und der der Richter über die Lebenden und die Toten sein wird. Er, der Christus hat die Autorität, auch über das Leben und die Zukunft dieses Mannes zu entscheiden.
„Heute wirst du mit mir im Paradies sein!“ – was für ein wunderbarer Satz. Gleichzeitig wirft er einige theologischen Ideen komplett über den Haufen. Mit diesem Satz ist die unbiblische, unchristliche Idee von einem Fegefeuer komplett erledigt. Manche glauben ja daran, dass ein Gläubiger nach dem Tod zuerst ins Fegefeuer muss, um gereinigt zu werden. Das kann dann tausende oder gar Millionen von Jahren dauern. Dann erst darf man in die himmlische Herrlichkeit, ins Paradies. Jesus kennt so eine Idee nicht. Er weiß, wie der Himmel aussieht. Denn von dort kommt er ja (Philipper 2). Und er kennt auch alles, was auf Erden ist. In ihm und durch ihn wurde ja alles erschaffen (Kolosser 1,16). Es gibt kein Fegefeuer und Jesus müsste das doch wissen, wenn es eines geben würde. Er sagt diesem Verbrecher aber nicht „wir sehen uns dann irgendwann im Himmel“, sondern er sagt „Heute wirst du mit mir im Paradies sein!“.
Jesus Christus räumt auch auf mit der Werkgerechtigkeit. Manche glauben ja, man müsse sich durch gute Werke den Himmel verdienen. Welche guten Werke sollte denn der verurteilte Verbrecher noch tun, der dort am Kreuz hängt und mit großer Mühe und unter großen Schmerzen darum kämpft, atmen zu können? Der Gedanke ist absurd. Jesus zeigt mit diesem einen Satz, dass alle Ideen von der Werkgerechtigkeit völlig unsinnig sind. Natürlich muss einer, der zum Glauben an Jesus kommt, durch seine Werke zeigen, dass er den rettenden Glauben wirklich hat. Natürlich muss ein Gläubiger danach streben, die Sünde zu bekämpfen und das Gute zu tun. Aber das rettet ihn nicht. Den rettenden Glauben gibt es von Jesus geschenkt. Es gibt nur eine Kleinigkeit, die der Mensch tun kann und das ist etwas, was ihn auch nicht direkt rettet: Die Buße. Dazu gehört, dass wir unsere eigene Schuld eingestehen. Der Verbrecher am Kreuz hat das getan. Er sagte „wir empfangen, was unsere Taten wert sind“ und dann bekannte er seinen Glauben an den Messias, den Christus. Das ist das Einzige, was er tun konnte. Das hat ihn aber nicht gerettet. Dann bekommt er die Erlösung geschenkt. Genauso funktioniert die Errettung: Ein Mensch kehrt um, bekennt seine Sünden und bittet Jesus um Erlösung. Mehr kann ein Mensch nicht tun. Das alleine rettet den Menschen aber nicht, sondern Jesus muss nun die Erlösung schenken. Er hat versprochen, das bei allen zu tun, die diese Umkehr, die Buße vollbringen.
Was ist mit Dir? Wenn Jesus wiederkommt, um die Toten aufzuerwecken und seine Königsherrschaft anzutreten, auf welcher Seite willst Du dann stehen?