Unser alltäglichen Probleme sind real. Man kann sie nicht einfach wegdiskutieren oder ignorieren. Sie sind immer da und beschäftigten uns. Schwierigkeiten und Schwächen, Probleme und scheinbar unüberwindliche Hindernisse, die uns jeden Tag einfach daran hindern, das zu tun, was wir tun sollen (und wollen).
Wie geht man richtig damit um? Sind wir als Christen genauso hoffnungslos allen Schwierigkeiten ausgesetzt, wie das bei anderen Menschen auch ist? Was könnten wir tun, um besser mit den Schwierigkeiten umzugehen?
„1 Darum lasst auch uns, weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, alle Last und die Sünde ablegen, die uns immer umringt, und lasst uns mit Geduld in dem Kampf laufen, der uns verordnet ist, 2 und aufsehen auf Jesus, den Urheber und Vollender des Glaubens; der um der Freude willen, die vor ihm lag, das Kreuz erduldete und die Schande nicht achtete und sich zur Rechten des Thrones Gottes gesetzt hat.“ (Hebräer 12,1-2 Übersetzung: NeueLuther)
Das ist ein gewaltiger Text. Es ist einer meiner Lieblingstexte aus der Bibel. In dieser Auslegung geht es mir aber nur um ein kleines Wort am Anfang von Vers 2. Man übersieht es leicht und doch ist es gewaltig in seiner Aussage: „aufsehen„. In anderen Bibelstellen heißt es „hinschauen„.
Leider sind alle deutschen Übersetzungen an dieser Stelle etwas schwach. Das liegt nicht daran, dass die Übersetzungen alle schlecht wären, sondern daran, dass das Wort, das dort im griechischen Urtext steht, eigentlich unübersetzbar ist. Das griechische Wort an dieser Stelle heißt „ἀφορῶντες“ (aphorontes). In der Elberfelder Studienbibel mit Sprachschlüssel heisst es dazu:
„865 aphorao wegsehen von etw., um auf etw. anderes zu sehen, hinschauen auf etw. (darauf)sehen; von apo (weg von) und horao (sehen)…“.
Das Wort müsste eigentlich mit „weg-hin-schauen“ übersetzt werden. Es geht also darum, dass wir zuerst WEGsehen von unseren Problemen, Schwierigkeiten, Schwächen und dann HINsehen auf Jesus. Immer gehören diese beiden Dinge zusammen: WEGsehen und HINsehen. Wir kennen das aus unserem Alltag: Wenn wir konzentriert auf etwas schauen, dann müssen wir uns ja zuerst von den anderen Dingen abwenden. Wenn wir uns gedanklich auf etwas konzentrieren wollen, dann müssen wir (in dem Moment) alles andere „vergessen“ und gedanklich auf die Seite schieben. Denn wenn wir wirklich konzentriert auf etwas schauen, dann blenden wir die anderen Dinge aus dem Sichtfeld ja aus – und so wollen wir das auch im Glauben tun: Nicht, weil wir die Realität nicht sehen wollen, sondern gerade weil wir die Realität sehen wollen: Die Realität der Herrlichkeit und Macht Gottes, die sich in Jesus Christus gezeigt hat.
Nun klingt das natürlich in den Augen des modernen Menschen ziemlich kritisch: Die Probleme „ausblenden“ und die Schwierigkeiten „ignorieren“? Das wäre natürlich eine ziemlich unvernünftige und plumpe Art von „Glauben“. Es wird von uns auch nicht erwartet, dass wir unseren Verstand an der Garderobe abgeben, wenn wir glauben. Gott will unsere Intelligenz nicht beleidigen, sondern er will uns einen vernünftigen Glauben schenken. In Markus 7,21-22 nennt Jesus die „Unvernunft“ in einem Atemzug mit anderen bösen Dingen wie Mord und Ehebruch. Es kann also nicht darum gehen, Probleme und Schwierigkeiten mit einer Art „positives Denken“ zu überlagern. Es gibt ja Leute, die tun so, als würden alle Probleme verschwinden, wenn man nur an positive Dinge denkt. Auch in der christlichen Welt gibt es dieses unvernünftige Denken: „Du musst nur genug glauben, dann wird Gott Dir alles Gute schenken“. Wie also ist das gemeint „weg-hin-schauen auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens„?
Der Schreiber des Hebräerbriefes nennt uns in Kapitel 11 einige Beispiele für Vorbilder des Glaubens. In Hebräer 12,1 fängt er dann seine Aussage an mit „Da wir nun eine solche Wolke von Zeugen um uns haben„. Er zeigt uns also praktische Beispiele für das, was er uns dann mitteilt. Ich möchte nun ein paar Beispiele herausgreifen, um zu zeigen, was mit „weg-hin-schauen“ gemeint ist.
„Durch Glauben segnete Isaak den Jakob und den Esau im Hinblick auf zukünftige Dinge.“ (Hebräer 11,20 Schlachter 2000)
„Durch Glauben erhielt auch Sarah selbst die Kraft, schwanger zu werden, und sie gebar, obwohl sie über das geeignete Alter hinaus war, weil sie den für treu achtete, der es verheißen hatte.“ (Hebräer 11,11 Schlachter 2000)
„Jesus spricht zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt; und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben. Glaubst du das?“ (Johannes 11,25-26)